KAMENZER SAGEN
Manfred Richter wurde am 1. August 1930 geboren und lebt seitdem in Kamenz. Als junger Mann entkam er dem Krieg. 1946 begann er eine Ausbildung als Dekorationsmaler und arbeitete danach als Dekorateur in der Gebrauchtwerbung.
Seine vielseitigen, handwerklichen Begabungen lebt er mit dem Eintritt in die Rente immer noch aus. Fast täglich entstehen Scherenschnitte mit unterschiedlichen Motiven. Märchen von den Gebrüdern Grimm, H.C. Andersen und Kamenzer Sagen haben ihn inspiriert.
Der Verein Metamorphose — Kunst in Kamenz e.V. greift dieses Potential auf.
Mit der Scherenschnittlaterne lebt sein Handwerk weiter. Es ist eine Form der Wertschätzung für ein Kamenzer Urgestein und für Handwerkskunst, die heute nur noch wenige Menschen beherrschen.
Das Projekt wird unterstützt durch die Ostsächsische Sparkasse Dresden, die Bao GmbH und OBI Kamenz.
Um das Jahr 1720 veranstaltete der Kamenzer Bürger, Ratsherr, Schöffe und Seifensieder Gottlob Johann Reichel ein Kindtaufessen. Das fand im Gasthof „Zur goldenen Sonne“ unten an der Bautzner Straße statt. Der Kindstaufvater bestellte beim Sonnenwirt ein paar fette, zahme Enten. Die hatten ihrem Herrn nicht viel gekostet; denn sie waren jeden Tag in der schwarzen Elster herumgeschwommen und hatten in dem Schlamm Würmer und Fische in Hülle und Fülle gefunden. Zur Kindstaufe bestellte der Wirt zum Zubereiten der Speisen einen Koch. Der schlachtete ohne viel Federlesens die schönen, weißen Tiere. Als er den Magen der ersten Ente aufschnitt und umkehrte, kamen pure Goldkörnlein heraus. Sie waren von dem weichen Sande ganz sauber gescheuert worden und leuchteten wie funkelnde Wassertropfen in der Sonne. Der Koch freute sich über den kostbaren Fund und lachte hell heraus, als es ihm bei den anderen Entenmagen ebenso wie bei den ersten erging. Er suchte die Goldkörner vorsichtig zusammen und verbarg sie schmunzelnd in seiner Tasche.
Als er einmal unversehens in die Tasche fuhr, fielen viele Goldkörnlein heraus und rollten lustig über den Fußboden. Er war noch nicht fertig mit dem Zusammenlesen, so trat der Kindstaufvater in die Stube, um sich die schönen Enten zu besehen. Wie glücklich war er, als er entdeckte, dass die Enten ein so prächtiges Taufgeschenk mit ins Haus gebracht hatten! Aber davon wollte der Koch nichts wissen. Er sagte:“ Die Goldkörnlein gehören mir; denn nicht ihr, sondern ich habe sie gefunden!“ Der Ratsherr und Seifensieder fuhr ärgerlich empor und rief:“Was wollt ihr, Tropf? Das Gold gehört mir: ich habe die Enten und mit ihnen die Goldkörner käuflich erworben!“ So entstand aus dieser Sache ein Streit, der lange Zeit die Gerichte beschäftigte. Zuletzt bekam die Goldkörnlein der Koch zugesprochen, weil nach Auffassung der Richter der Kindstaufvater mit den Enten nur den Braten, nicht aber den Schlamm und die Körner in den Entenmagen hatte erwerben wollen. Das Gold war von dem Koch gefunden worden. Der verkaufte es an einen Goldschmied und war ein gemachter Mann. Der Ratsherr aber zog ein langes Gesicht; denn er musste sogar noch die teuren Gerichtskosten bezahlen.